Sprache, Sitten und Gebräuche der Bewohner. 101
Nieder-Dorla, Langula). In Kleidung, Sprache, Sitten und Gebräuchen
weichen sie von den Umwohnern ab. Die Männer tragen einen blauen,
hemdartigen Leinenkittel, der bis übers Knie reicht, der a if den Schultern
und der Brust gelbrot bestickt ist und durch einen Gütel zusammen-
gehalten wird. Die gewöhnliche Kopfbedeckung ist die Zipfelmütze. Die
Frauen trageu kurze Röcke und eine Haube. Die Sprache der Vogteier
klingt etwa so:
„Kuan Aden halt Triät! I, wu kuan ich Triät gehal,
Gerg Aden het mich uf d'n Schlump'n getratn."
d. h. Johann Aden halte Tritt! I, wo kann ich Tritt halten,
Georg Aden hat mich auf den Schlappen (Pantoffel) getreten.
A. Haselhuhn.
Die Eichsfelder sind meist katholisch und streng kirchlich. Trotz ihrer
Ärmlichkeit und schweren Arbeit sind sie fröhlich, genügsam und in der
Kleidung sehr einfach. Der selbstgefertigte blaue Leinwandkittel ist das
gewöhnliche Oberkleid der Männer. Die Frauen tragen außer einem
dicken kurzen Warprocke eine kurze Sackjacke und als Kopfbedeckung ein
buntes Tuch. Mann und Frau gehen in nägelbeschlagenen Schnürschuhen.
Die Kuh ist das gewöhnliche Zugtier. Die Häuser sind meist einstöckige
Fackwerkbauten (Lehmschlag). Selten sieht man ein Fenster ohne Blumen,
und die Vorderseite des Hauses ist meist durch einen hochstämmigen,
weitverzweigten Rosenstock verziert.
Die Bewohner des Stnfenlandes gehören meist der evangelischen
Religion an. Sie zeichnen sich dnrch eine besondere Begabung für Gesang
und Musik aus. Ehrlichkeit, Arbeitsamkeit, Zufriedenheit und Gast-
freuudschaft sind ihre besten Eigenschaften. Der Fürst Karl Angust
von Weimar konnte deshalb mit Recht sagen: „Einen so kräftigen, schönen
Menschenschlag wie meine Thüringer, so treu und ebrlich und so lieder-
reich — den gibt es sonst nicht im deutschen Reich". Das Land ist
ungemein reich an Sagen. Bald lehnen sich diese an eine der vielen
Ritterburgen und Klosterruinen, bald an ein Schloß oder Dorf, bald an
eine Höhle oder einen Stein, einen Berg, ein Tal, ja an einen Baum an.
Am Althergebrachtesten hat der Thüringer bis hente vielfach treu fest-
gehalten. Zu Lichtmeß weckt man den Langschläfer mit einer Rute und
ruft: „Ich will die Lerche wecken". Am Fastnachttage läßt man das
Spinnrad ruhen, damit nicht Frau Holle den Flachs verwirre. Um
Mitternacht am Ofterheiligabend holt man Ofterwafser und besprengt damit
alle Gegenstände im Hause, auch das Vieh, um Unglück fernzuhalten.
In der Walpurgisnacht steckt man Holunderzweige an den Rand des
Flachsfeldes und springt darüber. So hoch man springt, so hoch wächst
in dem Jahre der Flachs. Am Johannistage schmückt man die Häuser
mit Blumenkränzen, um das Glück festzuhalten. Bei der letzten Getreide-
snhre bringt man den Erntekranz. Die Kirmeß beschließt die Ernte.
Das Hauptvolksfest ist aber das Vogelschießen. — In den Städten finden
sich hänsig noch altertümliche Giebelbauten. Bei Mühlhausen spricht
man etwa so:
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Gerg Johann_Aden Johann Georg_Aden Karl_Angust
von_Weimar Karl
Die Niederungen. 123
Eichenwald. Was anderwärts Landstraßen und Fuhrwerk bedeuten, das
gelten hier die Wasserarine und Kähne. Jung und alt versteht den kleinen
Kahn, den „Seelenverkäufer", meisterlich zu handhaben. Zu Kahn macht
man seine nahen und fernen Besuche, seine Einkäufe, bringt den Dünger
auf den Acker, holt die Ernte heim. Der Kahn führt das Kind zur
Taufe, zur Schule, die Braut zur Kirche, den Toten auf deu Begräbnis-
platz, den Briefboten, den Förster und Jäger an Ort und Stelle. Deckt
aber eine dicke Eiskruste die Wasserarine, so tritt an die Stelle des Kahnes
der Schlittschuh und der lange Eisspieß. Jung und alt fliegt dann Pfeil-
geschwind über die glatte Fläche, jeder zu seiner Arbeitsstätte. Im
Sommer ist der Spreewald eiue unvergleichlich schöne Landschaft. Zahl-
lose Fremde kommen dann hierher, um auf den sanften Fluten sich zu
ergötzen, an der Pracht der Natur sich zu erfreuen. Die Bewohner haben
wie die der Halligen ihre Häuschen auf künstlichen Hügeln erbaut, die ihnen
zugleich als Gemüsegärtcheu dienen. Auch auf deu größeren Ackerflächen
zieht der Spreewälder viel schönes Gemüse, das er nebst Fischen und
Geflügel nach Berlin liefert. (Der Spreewald ein Gemüsegarten für
Berlin.) „Saure Lübbenauer ißt Bürger und Bauer." Deu Spreewald
bewohnt ein eigenartiger Menschenschlag Die Borfahren desselben waren
die heidnischen Wenden. Die Frauen kleiden sich durchweg uoch wie die
Voreltern. Den Kopf ziert meist ein mannigfach verschlungenes Knoten-
tuch, den Leib ein rot und blau gestreifter Rock, die Brust ein Mieder.
Außer der vorherrschend wendischen Umgangssprache haben sie noch
mancherlei wendische Bräuche und Sitten erhalten, die namentlich bei
Familienfesten zur Geltung kommen. — Das Wasser (Fische, Krebse,
Geflügel), der Wald (Holzarbeit), die Wiese (Heu), der Acker (Gemüse),
die Jagd (Schuepsen und Hirsche) bieten dem sehr tätigen Spreewüldler
seinen Unterhalt.
In den vielen Tälern und Senken des östlichen Tieslandes stauten sich die
Wassermassen aus; große Strecken versumpften. Solche Sumpf- oder Bruchländer
befinden sich in besonders großer Ausdehnung an der Netze, der Warthe, der Oder
und Havel. Diesen Ödländern wandte der große Preußenkönig Friedrich Ii.
seine Aufmerksamkeit und Fürsorge zu. So ließ er bald nach seinem Regie-
rungsantritt das Havelland (Havel- und Rhinbruch) zwischen Rathenow und
Fehrbellin entwässern. Dnrch besondere Mnsterwirtschasten regte er die Land-
wirte an, dem Ackerbau große Sorgsalt zu schenken. Nach und nach entstanden
ans dem ergiebigen Neulande (4000 ha) 25 Dörfer. Der vorhandene gute Torf
diente bis vor kurzem allgemein als Hauptheizstoff in der ganzen Gegend, Um
das größte Sumpfgebiet, den Oderbruch bei Küstrin (660 qkm), in Frncht-
land zu verwandeln, wurde erst der Oderlauf durch Deiche eingefaßt. Die Ent-
wässerungsarbeiten dauerten über 100 Jahre und sind erst 1866 beendet worden.
Heute erblickt man an Stelle der früheren Moorflächen Raps-, Weizen-, Gersten-
felber und 43 freundliche Dörfer mit wohlhabenden Bewohnern. Als der Oder-
bruch kaum zur Hälfte urbar gemacht war, konnte der König freudig voraus-
schauend ausrufen: „Hier habe ich eine Provinz gewonnen, ohne einen Blutstropfen
zu vergieße«!" Gleich nach dem glücklich beendeten siebenjährigen Kriege wurden
der Netze- und Warthebruch (Landsberg) in ähnlicher Weise nrbargemacht
und der Netze- oder Brombergerkanal angelegt, der die Weichsel mit der
Oder verbindet.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Rathenow Fehrbellin Netze-
Geschichtliches. 17
einem Großhandel nach fernen Gebieten ist kaum die Rede. Höchstens
können Korn (Roggen), Kartoffeln, Spiritus, Heu, Vieh, Holz, Töpfer-
waren, Stroh- und Korbflechtereien und Beeren ausgeführt werden. Desto
bedeutender ist aber die Durch- und Einfuhr auf den Wasserstraßen und
den Eisenbahnen. Es müssen eingeführt werden: Kohlen, Eisenwaren,
Dünaesloffe, Kaufmannswaren usw. Welche Eisenbahnlinien durchschneiden
das Gebiet?
E. Sprache, Sitten und Gebräuche der Kemohner.
Im ostelbischen Gebiete hat sich von den Sitten und Gebräuchen
der Väter recht wenig erhalten. Nur in entlegenen Orten bilden Herr-
fchast und Gesinde noch eine Familie und halten gemeinsame Mahlzeiten,
bei denen der Reihe nach das Tischgebet gesprochen wird. An den langen
Winterabenden versammeln sich hier die Hausbewohner um die Öllampe.
Die Männer erzählen allerlei Geschichten im märkischen Plattdeutsch, und
die Frauen spinnen. Der große Kachelofen ist meist zur Holzfeuerung
eingerichtet. Die älteren Hänser sind Fachwerk-, die neueren Mauerstein-
bauten. Das Gebiet ist auffallend arm an Sagen und Sprichwörtern;
destomehr ist der Aberglaube verbreitet. Die „Spökeike" und die „Frau
ohne Kopf" spielen eine große Nolle. — Im nördlichen Teile des Ge-
bietes spricht man etwa so:
Woll seggn de Lue: Int Jerchansche Land,
Doa gefft et nüscht as geilen Sand,
Doa maßt woll grönet Most mang de Keenen,
Doa blüht woll Heikrut für de Beenen;
Det Koarn aber seht so verhungert ut
Un blaß nn mar'r de Hoase int Krut.
Ick weet et better, nu hürt mi moal to:
De Sache, de is dörchut nicht so.
Ick kenne doa Stellen, wo fast de Eiken
Met öhre Tacke in'n Himmel rupreiken.
Nich woahr, doa merkt all jedet Kind,
Det doch der Bodden nicht schlecht kann sind.
Un hier is der Grund, wo grot un stark
'Ne Eik' is 'wassen met festet Mark,
Joa, wiest mi eene, de doa is better,
Un nömt mi eene, de doa is grötter,
De so beröhmt in de ganze Welt
As Bismarck-Schönhusen, der Staatsmann un Held!
A. Friese.
F. Geschichtliches.
Die Vorfahren der jetzigen Bewohner waren meist slavische Völker; sie gehören
zu dem Stamme der Wenden (Sorben). Sie waren Heiden und verehrten ihre
Götzen in Wäldern, wo ihnen Menschen und Tiere, besonders Pferde, geopfert
wurden. Die Wenden verbrannten ihre Toten und setzten die mit der Asche der Ver-
storbenen gefüllten Urnen in steinernen Grabkammern bei. Solche Begräbnisplätze
finden sich noch an vielen Orten, z. B. bei Burg, Genthin, Ziesar. Die Wenden
wohnten in Dörfern, die in Hufeisenform angelegt waren. Die Namen ihrer
Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe B. 2
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
Die Niederungen. 31
Bestand; er sagt: „50 Stakhupen Hoppland hew ik". Wenn der Hopfen recht gut
gediehen ist, gibt ein Stakhaufen etwa 50 kg. Durch den großen Fleiß, den man
in den letzten Jahren auf deu Hopfenbau verwendet hat, ist der Altmärker Hopsen
so verbessert, daß er dem anderer Gegenden nicht viel nachsteht und gern gekauft
wird- Die Hopfenernte ist für die Hopfengegenden eine Festzeit. Je höher die
Preise sind, desto fröhlicher ist man.
Am Bartholomäustage, am 24. August, beginnt die Ernte. Von nah und-
fern wandern die „kleinen Leute", oft ganze Familien, ins Hopfenland. Der Hopfen-
bauer heißt jede helfende Hand willkommen; es muß schon ohnehin alle andere
Arbeit ruhen. Ein Teil der Arbeiter ist draußen im Hopfengarten beschäftigt, der
andere auf der Scheuer. Jene schneiden die Ranken ab, streifen sie von Den Stangen
und bündeln sie zusammen. Die leeren Stangen werden aufgezogen. Mit Jubel wird
jede Fuhre von den Leuten auf der Scheuer empfaugen. „Utföken is nich, immer
up de Reg weg!" schallt es, und jeder greift nach dem würzig duftenden Bunde.
Die Hopfenpflücker sitzen in langer Reihe und zupfen die Frnchtköpfe ab, irni_ sie
in einen Raum rechter Hand zu werfen. Von Sonnenaufgang bis zum späten
Abend dauert die Arbeit bei fröhlichem Gesang und lustigem Scherz.
Wenn der Hopfen gepflückt ist, muß er getrocknet werden; das ist das Un-
angenehmste an der ganzen Ernte. In der Sonne werden große Laken ausgebreitet,
und dann wird der Hopfen locker und dünn daraufgestrent, damit er nicht rot oder
gar schwarz werde. Je heller er bleibt, desto wertvoller ist er. Bei schlechtem Wetter
benutzt man große luftige Bödeu zum Trocknen. Ist der Hopfen endlich trocken,
so wird er in große Säcke (Ballen) gestopft und dann versendet.
E. Sprache, Sitten und Gebriinche der Kewoljner.
Der Altmärker zeichnet sich aus im zähen Festhalten an den Sitten
und Gebräuchen der Voreltern. In seinein Wesen ist er knorrig und
bedächtig; er muß gleichsam erst warin werden, ehe er zugreift, aber dann
wankt und schwankt er nicht. Ein Versprechen ist ihm heilig. In seiner
Treue und seinem tapferen Kriegsmute steht er keinem deutschen Stamme
nach. Die Heimat schätzt der Altmärker über alles, und mit fröhlichem
Witz rühmt er, das; in der Altmark zwar nicht Milch und Honig fließe,
wohl aber „Speck" und „Balsam" (zwei muntere Wiesenbächlein), und
daß seine Heimat durch die heilige Siebenzahl ausgezeichnet sei, nämlich
dnrch 7 alte Städte, 7 Flecken, 7 Flüsse, 7 berühmte Adelsgeschlechter
und 7 verkehrte Kirchen (Türme nach O. statt nach W.). Die Volks-
spräche ist das Nieder- oder Plattdeutsch. Die gebildeten Leute sprechen
die hochdeutsche Schriftsprache. Das Plattdeutsch wird aber in den ver-
schiedensten Gegenden der Altmark ganz verschieden gesprochen. Als Probe
des Drömlingsplatt möge folgendes Zwiegespräch über die Kartoffelernte
dienen:
A.: Na, hemmt je ju Tüffeln all ut?
B.: Nä, 'n poar Doag hemnl w' noch to dohn. Wie (wäi) hemm 'n poar
Doag fchäpeltoal*) ntknegen laten, Nu hemm w' noch 'n föß Morgen stoahn, doa
fchafft't nich recht, de willn 'w nu sülm vulln utkriegen. — Hemm je denn ju all ut?
*) Scheffelweise (nach der Zahl der Scheffel); für den Scheffel werden in
der Regel 10 Pfennige bezahlt, so daß unter Umständen eine Arbeiterfamilie täglich
12—18 M verdient, wofür dann die Kleidung der Familie vom Kopf bis zum Fuß
bestritten wird aufs ganze Jahr. Sonst zahlt fast allgemein der Bauer hier als
Tagelohn bei voller Beköstigung für Männer nur 0,75—1,00 M, für Frauen 0,50 M
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Die Niederungen. 33
Getreide und die Vorratskammern befanden sich alle unter einem Dache.
Wir treten durch das hohe Tor ein und befinden uns auf der Tenne
oder Diele. Zur linken Hand sind die Stallungen für die Kühe^ und
Pferde. Darüber sind die Räume für das Getreide. Aus dem Stroh,
das vor der Scheune liegt, suchen der Hahn und die Hühner die Körner
heraus. Eine Treppe führt auf den Futterboden. Wir gehen gerade aus
und erreichen das Flet (der zwischen Diele und Wohnhaus liegende Haus-
flur). Am Herde steht die Hausfrau und bereitet das einfache Mittags-
brot. Von hier aus kann sie alles beobachten. Die Tochter trägt in
diesem Augenblicke in einem großen Korbe den Kühen Futter hin. Über
dein Herde erhebt sich der gewaltige Rauchfang, in dem verschiedene
Schinken und andere Fleischwaren hängen. Von hier aus gelangen wir
in die Wohnräume und Kanunern. Um das Einzelgehöft liegen die Gärten,
Felder und Wiesen. Um den Hof zieht sich ein mit Buschholz be-
wachsener Damm, der vor Überschwemmungen schützen soll (Wische).
Bei dem fränkischen Gehöste lagen die Wohn- und Wirtschasts-
gebäude gesondert. Die Giebelspitze überragt häufig ein Balken mit einem
Sterne. In einzelnen Wifcheorten vertritt ein kleines, viereckiges Brettchen
(40—25 cm), zu dem zwei Holzhämmerchen gehören, die Tischglocke.
Das Brett hängt neben der Haustür des Wohnhauses. Zur Mahlzeit
nimmt eine Magd die beiden Hämmer und trommelt auf dem Brettchen.
Die weithin schallenden Töne rufen das Gesinde zu Tisch.
Rätsel: Jin Ratlebenschen Dom, da steu 1ne gele Blom, wer de gele Blom
will pflücken, de mut den ganzen Dom {erdrücken.*)
Der Hansjochen Winkel.
Südwestlich von Salzwedel liegt ein wenige km langes und breites Land,
in dem vorzeiten die Leute eine besondere Vorliebe für die Vornamen Hans Joachim,
kurz Hansjochen (Hanschom) gehabt haben sollen. Als Spitzname übertrug sich
der Name Hansjochen auf die Gegend, die seitdem Hansjochenwinkel heißt. Weil
die Bewohner fern von jeder größeren Stadt und Verkehrsstraße wohnen, be-
wahrten und entwickelten sie soviel Eigenart und Besonderheit in Sprache, Sitte
und Kleidung, daß man sich in einer ganz anderen Gegend glaubt. Selbst der,
welcher des Plattdeutschen recht mächtig ist, kann sich mit einem echten Hansjochen-
winkler schlecht verständigen. Ein Teil der Urbewohner des Hansjochenwinkels
waren Wenden.
Der Hansjochenwinkel ist außerordentlich reich an Grabdenkmälern der Vor-
zeit. Wann und von wem diese Grabstätten, kurz Hünengräber, erbaut sind,
weiß niemand zu sagen. Die gewaltigen Wanderblöcke, die die Eisschollen vor
Jahrtausenden hier absetzten, dienten zu ihrem Bau. Auf einem Hügel setzte man
in Form eines Rechtecks Stein bei Stein senkrecht und belegte den Boden mit
Steinplatten oder Ton. Über die senkrecht stehenden Steine fügte man gewaltige
Decksteine. In den Grabkammern findet man allerlei Geräte aus Stein, Bronze
und Eisen und die Gerippe der Bestatteten oder ihre Asche in Urnen. Danach
unterscheidet man Hünengräber aus der Steinzeit, Kegelgräber aus der Bronzezeit
und Wendenkirchhöfe aus der Eisenzeit. Einige von den Grabstätten sind über
30 m lang und 9 m breit.
*) Das Ei.
Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe B. 3
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Niederungen. 61
vielen Strudel wegen gefährlich. Häufig tritt die Bode über die flachen
Ufer und überschwemmt Acker und Wiesen.
d) Die Aller.
Die Allerquellen liegen am westlichen Abhänge des Alvenslebener
Höhenzuges, am Nordrande des Hohenholzes. Die Rücken des Höhen-
zuges scheidet sie von den Gewässern der Elbe. Der Alvenslebener
Höhenzug wird somit zu eiuer Wasserscheide zwischen der Elbe
und der Weser. Die Aller gehört nur einige Meilen unserem Gebiete
an. Hier fließt sie an W a lb e ck , Weferlingen und Obisfelde
vorüber.
C. Sprache, Kitten und Gebräuche der Bewohner.
Die Bewohner sind Niederdeutsche. Die Sprache des gemeinen
Mannes ist ein Gemisch von Platt- und Hochdeutsch. Die gebildeten
Leute sprechen Hochdeutsch, d. h. so, wie allgemeiu geschrieben und
gedruckt wird. In den verschiedenen Gegenden wird aber das Platt-
deutsche verschieden gesprochen, so daß man an der Aussprache die Heimat
des Sprechers erkennen kann. Jede Gegend hat ihren besonderen Dialekt.
Die Ortsendung „leben" spricht der Volksmund „lä", z. B. Groten
Ammslä, Do(de)lä. Die Bewohner dieses Gebietes zeigen sich im all-
gemeinen im Handeln vorsichtig, im Festhalten zäh, sind etwas recht-
haberisch und starrköpfig, wenn sie ihr Recht verletzt glauben. Der Börde-
bewohner läßt gern einen Taler springen, wo es die Ehre und das An-
sehen seines Hauses und seiner Person erfordern. Bei seinen Schützen-
und Kriegerfesten geht es hoch her; jedoch in Not hilft er gern.
Die bedeutenden Fortschritte im Maschinen- und Fabrikwesen, in der
Ackerwirtschaft und dem Gartenbau und die vielen Eisenbahnen haben
gerade diese Gegend so verändert, daß das Altertümliche dem Neuen
allenthalben gewichen ist. Die Häuser sind aus Mauer- oder Bruch-
steinen aufgeführt und mit Ziegeln (Biberschwänzen oder Krempziegeln)
oder Schiefer gedeckt. Nur in den Orten am Harze, die weniger an leb-
haften Verkehrsstraßen liegen, erhielten sich noch viele altertümliche
Bauwerke, Sitten und Gebräuche. Schön erhaltene altertümliche Bau-
werke mit reicher Holzschnitzerei findet man besonders in Halberstadt
(Rathaus, Ratskeller, Schuhhof), Quedlinburg (Rathaus und Um-
gebung), Aschersleben, Osterwieck. In Kleidung, Sitte und Beschäftigung
stechen von den Anwohnern die Bewohner von Westerhausen bei Quedlin-
bürg ab. Sie scheinen Nachkommen niederländischer Kolonisten zu sein,
die einst den nahen großen Bruch entwässerten. Ihre Hauptbeschäftigung
ist der Zwiebelbau, der ihnen auch den Namen „Zwiebelbauern" eintrug.
Die Männer gehen in blauen Kitteln und grauen Gamaschen mit der
Kiepe auf dem Rücken in die nahen Ortschaften oder bieten ihre Waren
auf den Märkten feil.
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Niederungen. 7 5
vielen Strudel wegen gefährlich. Häufig tritt die Bode über die flachen
Ufer und überschwemmt Acker und Wiesen.
b) Die Aller.
Die Allerquellen liegen am westlichen Abhänge des Alvenslebener
Höhenzuges, am Nordrande des Hohenholzes. Die Rücken des Höhen-
zuges scheidet sie von den Gewässern der Elbe. Der Alvenslebener
Höhenzug wird somit zu einer Wasserscheide zwischen der Elbe
und der Weser. Die Aller gehört nur einige Meilen unserem Gebiete
an. Hier fließt sie an W a l b e ck , Weferlingen und Obisfelde
vorüber.
C. Sprache, Sitten und Gebräuche der Bewohner.
Die Bewohner sind Niederdeutsche. Die Sprache des gemeinen
Mannes ist ein Gemisch von Platt- und Hochdeutsch. Die gebildeten
Leute sprechen Hochdeutsch, d. h. so, wie allgemein geschrieben und
gedruckt wird. In den verschiedenen Gegenden wird aber das Platt-
deutsche verschieden gesprochen, so daß man an der Aussprache die Heimat
des Sprechers erkennen kann. Jede Gegend hat ihren besonderen Dialekt.
Die Ortsendung „leben" spricht der Volksmund „lä", z. B. Groten
Ammslä, Do(de)lä. Die Bewohner dieses Gebietes zeigen sich im all-
gemeinen im Handeln vorsichtig, im Festhalten zäh, sind etwas recht-
haberisch und starrköpfig, wenn sie ihr Recht verletzt glauben. Der Börde-
bewohner läßt gern einen Taler springen, wo es die Ehre und das An-
sehen seines Hauses und seiner Person erfordern. Bei feinen Schützen-
und Kriegerfesten geht es hoch her; jedoch in Not hilft er gern.
Die bedeutenden Fortschritte im Maschinen- und Fabrikwesen, in der
Ackerwirtschaft und dem Gartenbau und die vielen Eisenbahnen haben
gerade diese Gegend so verändert, daß das Altertümliche dem Neuen
allenthalben gewichen ist. Die Häuser sind aus Mauer- oder Bruch-
steinen aufgeführt und mit Ziegeln (Biberschwänzen oder Krempziegeln)
oder Schiefer gedeckt. Nur in den Orten am Harze, die weniger an leb-
haften Verkehrsstraßen liegen, erhielten sich noch viele altertümliche
Bauwerke, Sitten und Gebräuche. Schön erhaltene altertümliche Bau-
werke mit reicher Holzschnitzerei findet man besonders in Halberstadt
(Rathaus, Ratskeller, Schuhhof), Quedlinburg (Rathaus und Um-
gebung), Afchersleben, Ofterwieck. In Kleidung, Sitte und Beschäftigung
stechen von den Anwohnern die Bewohner von Westerhausen bei Quedlin-
bürg ab. Sie scheinen Nachkommen niederländischer Kolonisten zu sein,
die einst den nahen großen Bruch entwässerten. Ihre Hauptbeschäftigung
ist der Zwiebelbau, der ihnen auch den Namen „Zwiebelbauern" eintrug.
Die Männer gehen in blauen Kitteln und grauen Gamaschen mit der
Kiepe auf dem Rücken in die nahen Ortschaften oder bieten ihre Waren
auf den Märkten feil.
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Die Niederungen. 45
Bestand; er sagt: „50 Stakhupen Hoppland hew ik". Wenn der Hopfen recht gut
gediehen ist, gibt ein Stakhaufen etwa 50 kg. Durch den großen Fleiß, den man
in den letzten Jahren auf den Hopfenbau verwendet hat, ist der Altmärker Hopfen
so verbessert, daß er deni anderer Gegenden nicht viel nachsteht und gern gekauft
wird- Die Hopfenernte ist sür die Hopfengegenden eine Festzeit. Je höher die
Preise sind, desto fröhlicher ist man.
Am Bartholomäustage, am 24. August, beginnt die Ernte. Von nah und
fern wandern die „kleinen Leute", oft ganze Familien, ins Hopfenland. Der Hopfen-
bauer heißt jede helfende Hand willkommen; es muß fchon ohnehin alle andere
Arbeit ruhen. Ein Teil der Arbeiter ist draußen im Hopfengarten beschäftigt, der
andere auf der Scheuer. Jene schneiden die Ranken ab, streifen sie von den Stangen
und bündeln sie zusammen. Die leeren Stangen werden aufgezogen. Mit Jubel wird
jede Fuhre vou den Leuten auf der Scheuer empfangen. „Utföken is nich, immer
up de Reg weg!" schallt es, und jeder greift nach dem würzig duftenden Bunde.
Die Hopfenpflücker sitzen in langer Reihe und zupfen die Fruchtköpfe ab, um sie
in einen Raum rechter Hand zu werfen. Von Sonnenaufgang bis zum späten
Abend dauert die Arbeit bei fröhlichem Gesang und lustigem Scherz.
Wenn der Hopfen gepflückt ist, muß er getrocknet werden; das ist das Un-
angenehmste an der ganzen Ernte. In der Sonne werden große Laken ausgebreitet,
und dann wird der Hopfen locker und dünn daraufgestreut, damit er nicht rot oder
gar schwarz werde. Je heller er bleibt, desto wertvoller ist er. Bei schlechtem Wetter
benutzt man große luftige Böden zum Trocknen. Ist der Hopfen endlich trocken,
so wird er in große Säcke (Ballen) gestopft und dann versendet.
E. Sprache» Sitten und Gebräuche der Kemohner.
Der Altmärker zeichnet sich aus im zähen Festhalten an den Sitten
und Gebräuchen der Voreltern. In seinem Wesen ist er knorrig und
bedächtig; er muß gleichsam erst warm werden, ehe er zugreift, aber dann
wankt und schwankt er nicht. Ein Versprechen ist ihm heilig. In seiner
Treue und seinem tapferen Kriegsmute steht er keinem deutschen Stamme
nach. Die Heimat schätzt der Altmärker über alles, und mit fröhlichem
Witz rühmt er, daß in der Altmark zwar nicht Milch und Honig fließe,
wohl aber „Speck" und „Balsam" (zwei muntere Wiesenbächlein), und
daß seine Heimat durch die heilige Siebenzahl ausgezeichnet sei, nämlich
durch 7 alte Städte, 7 Flecken, 7 Flüsse, 7 berühmte Adelsgeschlechter
und 7 verkehrte Kirchen (Türme nach O. statt nach W.). Die Volks-
spräche ist das Nieder- oder Plattdeutsch. Die gebildeten Leute sprechen
die hochdeutsche Schriftsprache. Das Plattdeutsch wird aber in den ver-
schiedensten Gegenden der Altmark ganz verschieden gesprochen. Als Probe
des Drömlingsplatt möge folgendes Zwiegespräch über die Kartoffelernte
dienen:
A.: Na, hemmt je ju Tüffeln all ut?
B.:^Nä, 'n poar Doag hemm w' noch to dohn. Wie (wäi) hemm 'n poar
Doag Jchäpeltml*) utkriegen laten, Nu hemm w' noch 'n söß Morgen stoahn, doa
schaffst nich recht, de willn 'w nu fülm vulln utkriegen. — Hemm je denn ju all ut?
*) Scheffelweise (nach der Zahl der Scheffel); für den Scheffel werden in
der Regel 10 Pfennige bezahlt, so daß unter Umständen eine Arbeiterfamilie täglich
-[2—^8 M verdient, wofür dann die Kleidung der Familie vom Kopf bis zum Fuß
bestritten wird aufs ganze Jahr. Sonst zahlt fast allgemein der Bauer hier als
Tagelohn bei voller Beköstigung für Männer nur 0,75—1,00 M, für Frauen 0,50 M
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4%
Geschichtliches. 31
einem Großhandel nach fernen Gebieten ist kaum die Rede. Höchstens
können Korn (Roggen), Kartoffeln, Spiritus, Heu, Vieh, Holz, Töpfer-
waren, Stroh- und Korbflechtereien und Beeren ausgeführt werden. Desto
bedeutender ist aber die Durch- und Einfuhr auf den Wasserstraßen und
den Eisenbahnen. Es müssen eingeführt werden: Kohlen, Eisenwaren,
Düngestoffe, Kaufmannswaren usw. Welche Eisenbahnlinien durchschneiden
das Gebiet?
E. Sprache, Sitten und Gebriinche der Kemohner.
Im ostelbischen Gebiete hat sich von den Sitten und Gebräuchen
der Väter recht wenig erhalten. Nur iu entlegenen Orten bilden Herr-
schast und Gesinde noch eine Familie und halten gemeinsame Mahlzeiten,
bei denen der Reihe nach das Tischgebet gesprochen wird. An den langen
Winterabenden versammeln sich hier die Hausbewohner um die Öllampe.
Die Männer erzählen allerlei Geschichten im märkischen Plattdeutsch, und
die Frauen spinnen. Der große Kachelofen ist meist zur Holzfeuerung
eingerichtet. Die älteren Häuser sind Fachwerk-, die neueren Mauerstein-
bauten. Das Gebiet ist auffallend arm an Sagen und Sprichwörtern;
deftomehr ist der Aberglaube verbreitet. Die „Spökeike" und die „Frau
ohne Kopf" spielen eine große Nolle. — Im nördlichen Teile des Ge-
bietes spricht man etwa so:
Woll seggn de Lue: Int Jerchansche Land,
Doa gefft et nüscht as gälen Sand,
Doa maßt woll grönet Most mang de Keenen,
Doa blüht woll Heikrut für de Beenen;
Det Koarn aber seht so verhungert nt
Un blaß un mar'r de Hoase int Krut.
Ick weet et better, nu hürt mi moal to:
De Sache, de is dörchut nicht so.
Ick keune doa Stellen, wo fast de Eiken
Met öhre Tacke in'n Himmel rupreiken.
Nich woahr, doa merkt all jedet Kind,
Det doch der Bodden nicht schlecht kann sind.
Un bier is der Grund, wo grot un stark
'Ne Eif is 'wassen met festet Mark,
Joa, wiest mi eene, de doa is better,
Un nömt mi eene, de doa is grötter,
De so berühmt in de ganze Welt
As Bismarck-Schönhusen, der Staatsmann un Held!
A. Friese.
F. Geschichtliches.
Die Vorfahren der jetzigen^Bewohner waren meist slavische Völker; sie gehören
zu dem Stamme der Wenden (Sorben). Sie waren Heiden und verehrten ihre
Götzen in Wäldern, wo ihnen Menschen und Tiere, besonders Pferde, -geopfert
wurden. Die Wenden verbrannten ihre Toten und setzten die mit der Asche der Ver-
storbenen gefüllten Urnen in steinernen Grabkammern bei. Solche Begräbnisplätze
finden sich noch an vielen Orten, z.b. bei Burg, Genthin, Ziefar. Die Wenden
wohnten in Dörfern, die in Hufeisenform angelegt waren. Die Namen ihrer
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
Die Niederungen. 137
Eichenwald. Was anderwärts Landstraßen und Fuhrwerk bedeuten, das
gelten hier die Wasserarme und Kähne. Jung und alt versteht den kleinen
Kahn, den „Seelenverkäufer", meisterlich zu handhaben. Zu Kahn macht
man seine nahen und fernen Besuche, seine Einkauft, bringt den Dünger
aus den Acker, holt die Ernte heim. Der Kahn führt das Kind zur
Taufe, zur Schule, die Braut zur Kirche, den Toten auf den Begräbnis-
platz, den Briefboten, den Förster und Jäger an Ort und Stelle. Deckt
aber eine dicke Eiskruste die Wasserarme, so tritt an die Stelle des Kahnes
der Schlittschuh und der lange Eisspieß. Jung und alt fliegt dann Pfeil-
gefchwinv über die glatte Fläche, jeder zu seiner Arbeitsstätte. Im
Sommer ist der Spreewald eine unvergleichlich schöne Landschaft. Zahl-
lofe Fremde kommen dann hierher, um auf den sanften Fluten sich zu
ergötzen, an der Pracht der Natur sich zu erfreuen. Die Bewohner haben
wie die der Halligen ihre Häuschen auf künstlichen Hügeln erbaut, die ihnen
zugleich als Gemüfegärtchen dienen. Auch auf den größeren Ackerflächen
zieht der Spreewälder viel schönes Gemüse, das er nebst Fischen und
Geflügel nach Berlin liefert. (Der Spreewald ein Gemüsegarten für
Berlin.) „Saure Lübbenaner ißt Bürger und Bauer." Den Spreewald
bewohnt ein eigenartiger Menschenschlag Die Borfahren desselben waren
die heidnischen Wenden. Die Frauen kleiden sich durchweg noch wie die
Voreltern. Den Kopf ziert meist ein mannigfach verschlungenes Knoten-
tuch, den Leib ein rot und blau gestreifter Rock, die Brust ein Mieder.
Außer der vorherrschend wendischen Umgangssprache haben sie noch
mancherlei wendische Bräuche und Sitten erhalten, die namentlich bei
Familienfesten zur Geltung kommen. — Das Wasser (Fische, Krebse,
Geflügel), der Wald (Holzarbeit), die Wiese (Heu), der Acker (Gemüse),
die Jagd (Schnepfen und Hirsche) bieten dem sehr tätigen Spreewäldler
seinen Unterhalt.
In den vielen Tälern und Senken des östlichen Tieflandes stauten sich die
Wassermassen aus; große Strecken versumpften. Solche Sumpf- oder Bruchländer
befinden sich in besonders großer Ausdehnung an der Netze, der Warthe, der Oder
und Havel. Diesen Ödländern wandte der große Preußenkönig Friedrich Ii.
seine Aufmerksamkeit und Fürsorge zu. So ließ er bald nach seinem Regie-
rungsantritt das Havelland (Havel- und Rhinbruch) zwischen Rathenow und
Fehrbellin entwässern. Durch besondere Musterwirtschaften regte er die Land-
wirte an, dem Ackerbau große Sorgfalt zu schenken. Nach und nach entstanden
auf dem ergiebigen Neulande (4000 ha) 25 Dörfer. Der vorhandene gute Torf
diente bis vor kurzem allgemein als Hauptheizstoff in der ganzen Gegend. Um
das größte Sumpfgebiet, den Oderbruch bei Küstrin (660 qkm), in Frucht-
land zu verwandeln, wurde erst der Oderlauf durch Deiche eingefaßt. Die Ent-
wässerungsarbeiten dauerten über 100 Jahre und sind erst 1866 beendet worden.
Heute erblickt man an Stelle der früheren Moorflächen Raps-, Weizen-, Gersten-
felder und 43 freundliche Dörfer mit wohlhabenden Bewohnern. Als der Oder-
brnch kaum zur Hälfte urbar_ gemacht war, konnte der König freudig voraus-
schauend ausrufen: „Hier habe ich eine Provinz gewonnen, ohne einen Blutstropfen
zu vergießen!" Gleich nach dem glücklich beendeten siebenjährigen Kriege wurden
der Netze- und Warthebruch (Landsberg) in ähnlicher Weise urbargemacht
und der Netze- oder Brombergerkanal angelegt, der die Weichsel mit der
Oder verbindet.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Spreewald Berlin Berlin Rathenow Fehrbellin Netze-